Der Löwe verlangt die Kühe des Hasen

Der Hase und der Löwe wohnten zusammen an einem Ort. Der Hase hatte Kühe, aber er hatte keinen Bullen. Der Löwe hingegen hatte einen Bullen. Und dieser Bulle ging immer zu den KÜhen des Hasen. Die Kühe kalbten. Nach einiger Zeit ging der Löwe zum Hasen und sagte: "Hör mal. alle diese Kälber da sind Kälber von meinem Bullen. Die gehörcn mir, die musst du mir alle geben!" - "Ja", erwiderte der Hase, "dein Bulle ist mit meinen Kühen gelaufen. Er hat sie besprungen. Darum haben meine Kühe die Kälber bekommen. Aber dein Bulle hat nie gekalbt. Deshalb gebe ich dir auch die Kälber nicht!"

Da wurde der Löwe wütend, und er schickte nach dem Schakal. Der Schakal war nämlich damals der Richter. Der Löwe legte ihm den Fall vor und reichte die Klage ein. Der Schakal kam und schaute sich die Sache an und Überlegte: "Was soll ich hier nur für ein Urteil fällen?" Es fiel ihm auch gar nichts ein, wie er diese Sache lösen sollte. Darum sagte er: "Gut, ich habe die Angelegenheit vernommen. Heute in einem Monat, da müsst ihr alle zusammenkommen, da werde ich das Urteil fällen." Und als der Monat um war und der Gerichtstag da war, hatte der Schakal immer noch keinen Plan, wie er die Angelegenheit lösen sollte. Den ganzen Tag, den ganzen Abend Überlegte er, was er machen könnte. Da fiel ihm etwas ein. "Ja, morgen früh werde ich hingehen und die Sache lösen!"

Am nächsten Morgen spannte er früh seine beiden Pferde vor den Wagen und fuhr hin. "Oh", sagte der Löwe, "ich hab dich schon aufgegeben. Du bist ein Lügner. Du bist überhaupt kein wahrer Richter!" - "Ohm", unterbrach ihn der Schakal, "hör doch mal einen Augenblick zu! Ich muss dir erst einmal die Sache erklären. Dann erst darfst du sagen, dass ich ein Lügner sei!" Der alte Löwe verstummte. Der Schakal erzählte ihm nun: "Ja, gestern konnte ich nicht kommen. Da ist nämlich etwas passiert. Mein Vater kam in die Wehen und bekam ein Baby. Und da war niemand, der ihm helfen konnte. Ich war ganz allein bei ihm. Da musste ich meinem Vater gestern helfen. Darum konnte ich auch erst heute kommen!"

"Jetzt lügst du aber,jetzt lügst du aber!" rief der Löwe. "Wo hast du jemals gesehen, dass ein Mann ein Kind gebären kann?" Da entgegnete der Schakal: "Ja, so ist es, du sagst es selbst: Ein Mann kann niemals ein Kind gebären. Und darum gehören die Kälber zu den Kühen! Gib nur dem Hasen seine Kälber zurück! Du sagst es ja selbst!" Da musste der Löwe dem Hasen die Kälber zurückgeben. Und die Geschichte ist zu Ende.

Quelle: Märchen aus Namibia, rororo-Verlag (Reihe Diederichs Märchen der Weltliteratur)

Seitenanfang

Zurück