Der Löwe und der Hase

Es waren einmal ein Löwe und ein Hase, die schlossen Freundschaft miteinander. Der Löwe sagte zu dem Hasen:
"Lass und zu den Schwiegereltern meiner Frau gehen!"
Und weiter: "Mache für den Reiseweg sieben Brote!"

Der Hase nachte sieben Brote. Der Löwe sagte:
"Morgen lass und aufbrechen!"

Und sie gingen vorwärts und sahen einen Fluss. Der Löwe sagte zu dem Hasen:
"In diesem Wasser haust ein böser Geist. Jeder, der hier vorbeikommt, muss ihm etwas schenken. Wenn du den Geist rufen hörst: 'Bringe, bringe!', wirf ihm alle Brote ins Wasser!"
"Ja."
"Warte auf mich, ich gehe erst in den Busch, um meine Notdurft zu verrichten."

Aber der Löwe ging und verbarg sich im Wasser. Der Hase sah es. Als der Hase rufen hörte: "Bringe!" (es war der Löwe, der so rief), las er Steine auf und warf sie ins Wasser. Der Löwe wurde durch die Steinwürfe getroffen. Der Löwe weinte:
"Es schmerzt. Du hast mich getroffen."

Sie gingen weiter, Sie sahen Beeren. Der Löwe sagte zu dem Hasen:
"Lies die weissen auf, die schwarzen gehören dem Besitzer des Landes." (Er wollte, dass der Hase weisse, das sind unreife Früchte, auflesen sollte; die schwarzen, reifen Früchte wollte er allein haben.) Der Löwe las auf seiner Seite die Früchte auf und der Hase auf seiner. Der Löwe las schwarze Früchte auf, und der Hase las auch schwarze Früchte auf.

Sie gingen vorwärts. Der Löwe sagte:
"Ich will niedersitzen."
Der Hase sagte gleichfalls:
"Ich will niedersitzen."

Sie schütteten veude schwarze Früchte aus. Nun ärgerte es den Löwen, dass der Hase dasselbe getan hatte wieder der Löwe, nämlich schwarze Früchte aufgelesen.

In seinem Ärger wollte er nichts essen und sagte zum Hasen:
"Iss du die Früchte allein!"

Sie gingen weiter. Der Löwe sagte dem Hasen:
"Sollte mir nachher der Leib wehe tun, so gehe und hole mir diese hier wachsende Arznei!"

Er wollte einen Grund haben, um nachher den Hasen für einige Zeit wegschicken zu können. Der Hase merkte die Absicht des Löwen. Er dachte:
"Ich nehme jetzt schon von der Arznei mit, dann brauche ich nachher nicht einen weiten Weg zurücklegen.", und verabschiedete sich vom Löwen unter dem Vorwande, seine Notdurft verrichten zu wollen.

Er kehrte zurück an die Stelle, wo die Arznei wuchs, und grub. Die Arznei bestand in Wurzelknollen, von denen er einige nahm und unter dem Gürtel seines Gewandes verbarg. Als er zum Löwen zurückkehrte sagte er:
"Lass uns aufbrechen!"

Sie gingen, bis sie bei den Schwiegereltern des Löwen angekamen. Dort blieben sie.

Der Besitzer des Hauses kochte Essen und sagte:
"Schwiegersohn, komm herein und iss!"
Sie gingen ins Haus. Der Löwe hätte gern alles allein gegessen und wollte den Hasen entfernen. Er sagte dem Hasen:
"Ich habe Leibschmerzen, geh und hole mir die Arznei!"
Der Hase sagte:
"Die Arznei habe ich bereits geholt."

Der Löwe ärgerte sich, dass ihm auch diese List fehlschlug, und sagte:
"Iss du, ich mag nichts."

Sie blieben bis zum Abend.

Den Löwen schmerzte der Hunger. Dort, wo er schlief, war ein Ziegenstall. Der Löwe ergriff, da er hungerte, in der Nacht eine Ziege und frass sie. Das sah der Hase, als er schlafend dalag, da er ja beim Schlafen die Augen nicht zumacht. Um den Verdacht von sich abzuwälzen, als ob er die Ziege geholt hätte, ging der Löwe hin, nahm ein Stück Ziegenfleisch und band es dem Hasen, den er schlafend glaubte, an die Hüften. Doch der Hase merkte dies.

"Warum bindet er es an mich? Er hat gestohlen. Ich werde das Stück Fleisch entfernen. Ich werde es dem Löwen, wenn er schläft, unter die Kleider binden."

Als er es sich losgebunden und dem Löwen angebunden hatte, schlief er weiter mit dem Löwen bis zum Morgen.

Am Morgen ging der Besitzer des Hauses in den Ziegenstall und sah, dass eine Ziege geholt war. Er sagte:"
Meine Gäste, ihr habt meine Ziege gegessen."
Der Hase sagte zu ihm:
"Lass uns einen Fluss suchen. Dann wollen wir über den Fluss springen. Dabei muss jeder seine Kleider aufnehmen. Dann wirst du sehen, wer etwas von dem Ziegenfleisch hat."

Sie suchten einen Fluss. Er ging zu dem im Haus zurückgebliebenen Löwen zurück und sagte:
"Lass uns aufbrechen zum Fluss!"

Dort am Flusse ging der Hase voraus und sprang über den Fluss. Er fragte den Besitzer der Ziegen:
"Was hast du bei mir gesehen?"
Der Besitzer sagte:
"Nichts."

Dann sprang der Löwe über den Fluss bis ans andere Ufer. Dabei nahm er seine Kleider auf. Da wurde das Stück Ziegenfleisch auf seinem Rücken sichtbar. Da sagten die Leute:
"Lasst uns aufbrechen, dass wir den Löwen ergreifen!"

Sie ergriffen ihn und töteten ihn.

Das ist eine Matumbi-Erzählung, nicht von mir. Sie ist schon früher erzählt worden.

Quelle: Afrikanische Märchen, rororo-Verlag (Reihe Diederichs Märchen der Weltliteratur)

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