Die Menschen und die Kaninchen

Man erzählt sich: da waren einmal ein Mann und eine Frau, die waren beide sehr habgierig. Sie wollten gern reich werden, und sie überlegten, wie sie es anstellen müssten, um das möglichst schnell zu erreichen.

Erst wollten sie eine Rinderzucht machen, aber da sagte man ihnen, dass dies eine schwere und mühsame Arbeit sei, und dass man viele Jahre brauche, um damit ein Vermögen ansammeln zu können.

Dann wollten sie eine Schafzucht aufziehen. Aber man sagte ihnen, dass sie da Knechte bräuchten, und sie hatten Angst, dass man ihnen heimlich Schafe stehlen könnte.

So kamen sie endlich darauf, Kaninchenfleisch zu verkaufen, denn es schien ihnen eine geringe Mühe und ein schneller Verdienst. Aber immer wieder entliefen ihnen viele Kaninchen, und das Geschäft entwickelte sich nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatten.

Da sagte der Mann: "Wir müssten uns eine kleine Insel kaufen oder pachten, denn da können uns die Kaninchen nicht entkommen. Wir können zusehen, wie sie sich vermehren, und dann sie einfangen," schlachten und das Fleisch verkaufen." Die Frau war damit einverstanden.

Nun, sie hatten Glück und fanden eine grasbewachsene Insel, wie sie für ihre Zwecke geeignet war.

Sie mieteten ein Boot und liessen sich mit ihren Kaninchen übersetzen. Auch nahmen sie alles mit, was sie dort zum Leben brauchten.

Auf der Insel angekommen, liessen sie sich einen Schuppen und einen Stall bauen.

Dann verabschiedete sich der Bootsmann und fragte, wann er wiederkommen solle.

Die Frau sagte: "Kommt nächstes Jahr dann und dann, um das Fleisch abzuholen." Aber ihr Mann sagte: "Nein, das ist zu früh. Was dann an Fleisch anfälIt bringt zu wenig Gewinn, wenn man erst die Transportkosten abrechnet. Kommt erst in drei Jahren! Dann wird es sich lohnen."

Nun, der Fischer versprach, in drei Jahren wiederzukommen. Zunächst erging es dem Mann und der Frau recht gut. Sie hatten sich ein kleines Feld angelegt, schlachteten hin und wieder ein Kaninchen, und lebten nicht schlecht.

Jedoch die Kaninchen vermehrten sich sehr schnell und verstreuten sich über die ganze Insel, und es dauerte nicht lange, da gab es so viele Kaninchen, dass sie das ganze Gras abgefressen hatten.

Nun begannen die Kaninchen ihre eigenen Jungen aufzufressen. Der Mann und die Frau waren darüber entsetzt, und versuchten, die Kaninchen auseinander zu treiben. Dabei stolperte die Frau, stürzte zu Boden, und warfen sich die Kaninchen über sie und bissen sie zu Tode.

Als der Mann das sah, flüchtete er, von den Kaninchen verfolgt, in seine Hütte, und als ihn die Tiere auch dorthin verfolgten, stieg er auf das Dach, von wo aus er zusehen musste, wie die Kaninchen seine Frau auffrassen. Was dann weiter gewesen ist, weiss man nicht genau. Ob der Mann Selbstmord begangen hat, weil er keine Rettung zu erkennen vermochte, oder ob er aus Schwäche heruntergestürzt ist, man weiss es nicht.

Als der Fischer zur ausbedungenen Zeit erschien, kamen auf sein Rufen weder Mann noch Frau, und er sah, dass die ganze Insel von Kaninchen wimmelte.

Da machte er kehrt und verständigte die Polizei.

Und die Polizei fuhr zur Insel hinüber, erschoss massenhaft Kaninchen, fand die Skelette des Mannes und seiner Frau, und kehrte zum Festland zurück.

So hat die Habgier ihre Opfer geholt. Das ist alles, Herr.

Quelle: Märchen aus Argentinien, rororo-Verlag (Reihe Diederichs Märchen der Weltliteratur)

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